Wozu dient der Schellong-Test?


Der sogenannte Schellong-Test ist ein einfacher diagnostischer Test zur Untersuchung der Kreislauffunktion, der nach seinem Erfinder Fritz Schellong benannt wurde. Die Diagnostik-Methode wird vor allem bei Menschen angewandt, die häufig an Schwindel oder ungeklärten, kurzzeitigen Bewusstseinsverlusten (Synkopen) leiden.

Mit dem Test stellen Ärzte fest, ob der Körper Blutdruck und Herzfrequenz ausreichend an die Belastung des Aufstehens nach einer Ruhephase anpassen kann (Orthostase-Reaktion). Ist dies nicht der Fall, liegt eventuell eine orthostatische Kreislaufdysregulation vor – das heißt, der Kreislauf verhält sich anders als im Normalfall erwartet.

Schellong-Test: So läuft er ab


Die Durchführung des Schellong-Tests ist für gewöhnlich die folgende:

  • Zunächst liegt der Patient zehn Minuten entspannt auf der Untersuchungsliege. Während dieser Zeit sollte er sich möglichst wenig bewegen und nicht reden. Dadurch sollen sich Kreislauf beziehungsweise Blutdruck beruhigen und stabilisieren.
  • Ab der 8. Ruheminute wird zweimal pro Minuten der Puls und minütlich der Blutdruck gemessen (bezüglich des Mess-Rhythmus kann es, je nach Klinik oder Praxis, Unterschiede geben).1
  • Im Anschluss an die letzte Blutdruckmessung wird der zu Untersuchende gebeten, sich rasch von der Liege zu erheben.
  • Sofort nach dem Aufstehen werden erneut Blutdruck und Herzfrequenz überprüft.
  • Der Patient muss nun zehn Minuten stehen bleiben. Währenddessen misst der Arzt immer wieder Blutdruck und Puls und notiert auftretende Beschwerden wie Schwindel, Zittern, Sehstörungen oder Schweißausbrüche. Wenn möglich, sollten Patienten sich dabei weder abstützen noch festhalten.1

Neben der Überprüfung unter Stehbelastung (Schellong I) wird der Patient in manchen Fällen unmittelbar nach dem Liegen auch zum zügigen Treppensteigen aufgefordert (Schellong II). Im Anschluss werden ebenfalls die Blutdruck- und Pulswerte kontrolliert.

Eine Alternative zum Schellong-Test ist darüber hinaus die Kipptisch-Methode. Hierbei muss der Patient nicht selbst aufstehen. Er wird auf einem speziellen Untersuchungstisch festgeschnallt, der sich zunächst in waagrechter Position befindet, und dann langsam in einen Winkel von 60 bis 70 Grad gekippt wird (der Kopf zeigt nach oben).2 Dies hat im Vergleich zum Schellong-Test den Vorteil, dass der Patient seine Beine nicht bewegen muss. Denn schon leichte körperliche Aktivitäten der Beinmuskulatur lassen den Blutdruck ansteigen (Muskelpumpe). Zudem ist eine Untersuchung von Patienten möglich, die nicht selbst stehen können.3

Häufig gestellte Fragen zum Schellong-Test


Müssen Sie sich auf die Untersuchung vorbereiten?

Nein, es sind keine besonderen Vorbereitungen notwendig. Der Arzt wird Sie jedoch vorher ausführlich nach eingenommenen Medikamenten und Symptomen befragen (Anamnese) und Sie über mögliche Komplikationen (beispielsweise starker Blutdruckabfall mit Bewusstlosigkeit) informieren.

Lässt sich der Test selbst durchführen?

Da die Gefahr besteht, dass Patienten währen des Tests kollabieren, sollte der Schellong-Test nur von geschultem, medizinischen Personal durchgeführt werden.

Wann ist der Schellong-Test nicht empfehlenswert?

Wenn kardiale (das Herz betreffende) Erkrankungen, wie etwa eine deutliche Herzschwäche, bekannt sind, kann der Arzt von dem Verfahren abraten.

Auswertung der Ergebnisse


Während des Tests werden alle gemessenen Werte notiert und auf eine Diagramm-Kurve aufgetragen, um die grafische Darstellung zu erleichtern.1 Aber wie lassen sich die Befunde interpretieren? Hierbei hat sich folgende Klassifikation durchgesetzt:

  • Normalbefund: Bei einem Patienten ohne Kreislaufregulationsstörungen sinkt der systolische Blutdruck (der „obere“ Wert) leicht ab und der diastolische (der „untere“ Wert) nimmt leicht zu.4
  • Pathologischer (krankhafter) Befund: Als positiv wird der Schellong-Test hingegen dann eingestuft, wenn der systolische Blutdruck um mindestens 20 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule) beziehungsweise der diastolische um mindestens 10 mmHg innerhalb von 3 Minuten nach dem Aufstehen abfällt und der Patient Beschwerden wie Schwindel, Ohrensausen, Übelkeit, Herzklopfen oder Unwohlsein beschreibt. Zudem wird der Blutdruckabfall häufig von einem zu geringen Anstieg der Herzfrequenz (um weniger als 10 Schläge pro Minute) begleitet.5

Der Schellong-Test gilt als guter Nachweis dafür, ob Kreislaufstörungen vorliegen. Allerdings liefern die Ergebnisse dem Arzt keine unmittelbaren Aussagen über die Art des zugrunde liegenden Problems.

Bewertung des Schellong-Tests


Der Schellong-Test ist einfach, schnell durchführbar und gilt als ungefährlich. Jedoch konnte in Studien festgestellt werden, dass die Kipptischuntersuchung eine bessere Erkennung und Differenzierung von Synkopen ermöglicht.6 Erklärt wird das damit, dass Teilnehmer des Schellong-Tests ihre Beinmuskulatur beim Aufstehen aktivieren und somit den Kreislauf anregen. Bei der Kipptisch-Methode ist das nicht der Fall. Die Schrägstellung des Patienten mittels automatisierter Neigung ermöglicht einen deutlich höheren orthostatischen Stress für den Körper.  

Bei beiden Methoden sollte zudem berücksichtigt werden, dass die Kreislaufreaktion zu verschiedenen Tageszeiten variieren kann und auch von Faktoren wie der Einnahme von Medikamenten oder der Aufregung des Patienten beeinflusst wird.7

Hintergrundwissen: Orthostase-Reaktion


Tagtäglich stehen wir auf – morgens, wenn wir das Bett verlassen oder uns auf der Arbeit vom Schreibtischstuhl erheben. In der Regel machen wir uns keine Gedanken darüber. Tatsächlich leistet unser Körper dabei jedoch Beeindruckendes. Das Stichwort, das hierbei eine Rolle spielt, ist die Orthostase-Reaktion. Sie bezeichnet die Fähigkeit des menschlichen Körpers, den Blutdruck beim Wechsel in eine aufrechte Position auszugleichen. Hierfür reagiert das Herz-Kreislauf-System unter anderem mit

  • einem beschleunigten Herzschlag (um mehr Blut zu pumpen) und
  • mit dem Zusammenziehen der Beinvenen (damit das Blut nicht in den Beinen „versackt“).

Dieser Mechanismus trägt dazu bei, dass Blut rasch aus den Beinen zurück zur oberen Körperhälfte transportiert wird, um so die Durchblutung des Gehirns und anderer Organe sicherzustellen. Die Reaktion geschieht unwillkürlich durch die Aktivierung des vegetativen Nervensystems. In einigen Fällen läuft diese automatische Gegenregulation des Körpers unzureichend ab – wodurch das Gehirn nicht ausreichend durchblutet wird. Die Folgen können unter anderem Benommenheit, Schwindel oder sogar kurze Bewusstseinsverluste sein.

Eine solche orthostatische Fehlregulation, die der Schellong-Test aufzeigen kann, ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen. Häufig kommt es zum Beispiel vor, dass der Blutdruck vor dem Aufstehen bereits sehr niedrig ist, oder, dass die Beinvenen Krampfadern ausgebildet haben, in denen das Blut beim Aufstehen versackt. Dadurch verläuft der rasche Blutrückfluss zum Herzen nicht adäquat, weshalb der Puls stark ansteigt und der Blutdruck abfällt. Andere mögliche Ursachen sind zum Beispiel ein zu niedriges Blutvolumen oder eine Fehlsteuerung des vegetativen Nervensystems.

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Miriam Müller Aufgewachsen in einer Familie aus Krankenschwestern und Journalisten, interessierte sich Miriam Müller bereits sehr früh für die Themen Medizin und Medien. Nach verschiedenen Praktika im journalistischen Bereich – unter anderem bei der Deutschen Welle in Washington D.C. – absolvierte sie erfolgreich ihr Masterstudium Kommunikationswissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Miriam Müller Medizinredakteurin und Kommunikationswissenschaftlerin kanyo® mehr erfahren
Theresia Blattmann Theresia Blattmann studierte von 2003 bis 2009 an der Universität Münster und der Universidad de Cádiz (Spanien) Medizin. Dem medizinischen Staatsexamen und der Approbation als Ärztin schloss sich ein Aufbaustudium zur Fachjournalistin an der freien Journalistenschule Berlin an, das sie 2012 erfolgreich abschloss. 2016 folgte die Promotion in der Kinderonkologie. Ein Leben ohne Schreiben kann sie sich genauso wenig vorstellen wie ein Leben ohne klinisch-ärztliche Tätigkeit. Sie arbeitet deshalb sowohl als Ärztin in der Inneren Medizin als auch als Texterin für Themen im Gesundheits- und Medizinbereich. Theresia Blattmann Autorin kanyo® mehr erfahren
Quellen anzeigen
  • 1Universität Leipzig: Praktikumsanleitung zum Versuch „Kreislaufbelastung des Menschen“. URL: http://physiologie.medizin.uni-leipzig.de/files/Kreislaufbelastung2020.pdf - Stand 17.01.2020
  • 2Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Synkopen. URL: https://www.dgn.org/component/content/article/45-leitlinien-der-dgn-2012/2304-ll-3-2012-synkopen.html?q=posturales - Stand 10.01.2020
  • 3Berlit, Peter: Klinische Neurologie: Heidelberg: Springer Medizin Verlag 20062. S. 443f.
  • 4Gnädiger, Markus u.a.: Die nichtinvasive Blutdruckmessung. In: Swiss Medical Forum (2016) Jg. 16. Heft 39. S. 821.
  • 5Wüllner, Ulrich/Klockgether, Thomas: Klinik und Therapie der Multisystematrophie. In: Deutsches Ärzteblatt (2003) Hg. 100, Heft 7. S. 408-415.
  • 6Jungblut, Sven u.a.: Stellenwert der Kipptischuntersuchung im Vergleich zum Schellong-Test bei orthostaseinduzierten Kreislaufdysregulationen/Synkopen. In: Medizinische Klinik (2006) Nr. 101. Ausg. 3. S.198-202.
  • 7Haensch, C.-A./Jörg, J.: Die Analyse der Blutdruckregulation bei autonomer Dysfunktion. In: Klinische Neurophysiologie (2005) Ausg. 36. 2. S. 86-97.